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Bedürfnisorientierte Erziehung für Väter: Echtheit, Selbstreflektion, Intuition und neues Repertoire

Die Rolle des Vaters hat sich im Laufe der Jahre erheblich gewandelt. Väter von heute sind nicht mehr nur die Ernährer der Familie oder disziplinierte Autoritäten, sondern aktive und zunehmend bewusste Gestalter der kindlichen Entwicklung, zumindest wollen sie das sein. Wenn es um bedürfnisorientierte Erziehung geht, spielen Väter eine entscheidende Rolle für die Familienatmosphäre. Sie haben große Macht darüber, wie entspannt und respektvoll Beziehung gestaltet wird, auch wenn sie das oft so nicht wahrnehmen. Diese Form der “Erziehung” zu leben, hat für mich immer auch mit Haltung, mit Entscheidung und mit kontinuierlichem Lernen zu tun.

Um zu beschreiben, was ich unter einem “guten” Vater in der besonderen Herausforderung bedürfnis- und bindungsorientierter Elternschaft verstehe, möchte ich Dich auf 5 zentrale Punkte aufmerksam machen:

1. Echtheit: Das authentische Vatersein

Authentizität, auch wenn der Begriff ein wenig abgedroschen und ziemlich schwammig scheint, ist ein wesentlicher Schlüssel zur bedürfnisorientierten Erziehung: Ein guter Vater ist echt, hat ein wohlwollendes Bild von sich selbst und zeigt seinen Kindern, dass es in Ordnung ist, man selbst zu sein. Er lebt vor, wie man mit Gefühlen umgeht und wie man Schwierigkeiten bewältigt, ohne eine Maske aufzusetzen. Wir wissen, dass Kinder viel mehr durch unser Verhalten & unsere Präsenz lernen, als wir je durch “pädagogisches Geplapper” vermitteln könnten. Gerade diese Stimmigkeit, zwischen dem, was bei uns spürbar ist und was wir sagen, ist es, was für mich Echtheit bedeutet. Gerade kleine Kinder spüren noch sehr gut, was in ihnen selbst und um sie herum vorgeht. Wenn sie dann von uns Begriffe und Bestätigung dafür bekommen, statt Ihnen ihre Wahrnehmung abzusprechen oder sie zu ignorieren, dann können sie ein gesundes und sicheres Verhältnis zu sich selbst entwickeln.

2. Selbstreflektion: Der Weg zu mehr Bewusstsein

Ein Vater, der es ernst meint, nimmt sich Zeit für Selbstreflexion, für Impulse von außen und für gemeinsames Lernen. Selbstreflektion ermöglicht es ihm, bewusster und bedürfnisorientierter zu handeln. Es zeigt seinen Kindern auch, dass Fehler und sich selbst zu hinterfragen wichtig sind, um zu wachsen. Umso bewusster ich mir bin, was meine Reaktion beziehungsweise mein Körper mir gerade sagen will, und je besser ich meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse einschätzen kann, umso entspannter kann ich mit Konflikten in der Familie umgehen. Und umso klarer ich in dem werde, was gut für mich ist, desto sicherer kann ich meine Verantwortung in der Familie übernehmen.

3. Ein liebevolles Repertoire: Vielfalt in der Erziehung

Die wenigsten Väter dieser Generation hatten selbst Väter, die sie souverän und liebevoll in ihrer Entwicklung begleiten konnten. Oftmals haben diese Väter noch ganz andere Erfahrungen gemacht und sind bereits einen guten Schritt für uns weitergegangen. Dennoch sind viele (unbewusste) gewaltvolle Muster noch in und um uns, die sich gerade in der Überforderung zeigen können. Wir brauchen die Erfahrung von Alternativen, Ideen, wie es anders gehen kann, Impulse, die uns die Sicherheit geben, unserem Kind vertrauen zu lernen. Gerade wenn wir unsere Kinder liebevoller begleiten wollen, öfter wirklich präsent sein wollen, dann lohnt sich die Investitionen in den ersten Jahren: wenn wir eine wirklich vertrauensvolle Beziehung zu unseren Kindern aufgebaut haben, dann finden wir viel eher Möglichkeiten, Konflikte so zu lösen, dass alle ihre Würde behalten und respektvoll miteinander umgehen lernen.

4. Intuition: Unsere Wahrnehmung schärfen

Väter haben eine Intuition, ähnlich wie auch Mütter, die dazu oft einen besseren Zugang gefunden haben. Dieses Gespür für die Bedürfnisse ihrer Kinder, aber auch für sich selbst, ist ein wichtiger Bestandteil der bedürfnisorientierten Erziehung und einem echten, verbundenen Leben. Dabei geht es nicht um ständige Harmonie oder gar Perfektion, sondern eine hoherAufmerksamkeit für das, was unter der Oberfläche bei uns und unseren Kindern in Bewegung, gerade da ist. Das kann die Wut sein, die wir lange Zeit nicht bemerken und die sich erst in eskalierenden Konflikten  entlädt. Oder die Traurigkeit, die die letzten Jahre keinen Platz gefunden hat, weshalb wir sie auch bei unseren Kindern gerade nicht gut aushalten können. Aber auch eine Ahnung davon, was es eigentlich in meiner Partnerschaft bräuchte, wenn ich sie in letzter Zeit im Funktionieren aus den Augen verloren hätte.

Ein Vater, der lernt, auf seine Intuition zu hören, lernt vor allem, gut für seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu sorgen, um dann umso achtsamer bei seinem Kind oder seiner Partnerin zu sein. Doch wir haben oft verlernt, auf unsere Intuition zu hören oder denken, dass es gerade die unerwünschten, aggressiven Impulse sind, die wir damit verknüpfen. Es kann sein, dass alte (gewaltvolle) Muster erst einmal hinderlich sind. Doch, umso mehr wir über uns und unser Verhalten lernen, umso bewusster wir also werden, umso mehr kann auch die Intuition in der Begleitung unsere Kinder wirken.

5. Mut: Annehmen und gestalten

Um Dinge anders zu machen, als wir es vielleicht gelernt haben, braucht es am Ende auch den Mut, Dinge neu auszuprobieren, sich verletzlich zu zeigen und die Erfahrung des Scheiterns zu integrieren. Es bedeutet, Erziehung neu zu denken. Zu akzeptieren, dass das gesamte Umfeld möglicherweise anders mit ihren Kindern umgeht. Es bedeutet aber auch, das anzunehmen, was im Moment noch nicht gelingt, was schmerzvoll ist und wütend macht. Nur dann kann ich mich weiterentwickeln, wenn der Status Quo erst einmal Berechtigung hat und ich ihn nicht weiter verdränge.

Mut braucht es hier auch, weil ich möglicherweise ganz anders in meiner Familie oder in meinem Umfeld gestalten muss, damit ich so leben kann, wie wir und ich uns das wirklich wünschen, manchmal gegen viele Widerstände. Mut braucht es auch, um ehrlich und auf Augenhöhe, wesentliche Dinge endlich auf der Elternebene anzusprechen und auszuhalten, dass vielleicht im Moment noch keine gute Lösung da ist. Und Mut kann hier auch bedeuten, dass ich mir erlaube, weniger zu machen statt mehr & wirklich präsent zu sein, wahrzunehmen, worum es eigentlich geht und auf diesem Fundament liebevoll zu begleiten.

Fazit

Ein guter Vater, der bedürfnisorientierte Erziehung lebt, nimmt sich selbst und seine liebevolle Macht ernst. Er vertraut auf seine Intuition, ist echt, verletzlich und aus dieser Kraft heraus klar und verbunden. Sein Repertoire an respektvoller Alltagsgestaltung mit seinen Kindern wächst mit der Zeit, und er schafft bewusst eine Umgebung, in der Vertrauen, Beziehung und Sicherheit im Vordergrund stehen. Bedürfnisorientiert Vater sein ist der Weg, Kinder in ihrer emotionalen Entwicklung zu unterstützen, sich selbst immer besser zu verstehen und eine liebevolle Beziehung ohne Strafen und Schimpfen zu gestalten. Bist du dabei?

Schau Dir gern auch meine aktuellen Angebote für Väter an.

Carsten Vonnoh

Systemischer Berater für Väter und Organisationen