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Warum unser Smartphone der Beziehungskiller Nummer 1 ist

Wenn ich unterwegs bin, auch mit meinen Kindern, merke ich, wie oft Väter nicht sonderlich präsent sind, wenn sie mit den Kindern unterwegs sind. Das merke ich bei mir selbst und spüre es auch bei anderen. Natürlich sind Handy & Co. eigentlich eine großartige Sache, trotzdem ist bei vielen die Abhängigkeit von diesen kleinen, immer verfügbaren Geräten sehr hoch, unser Gehirn wird geradezu torpediert von den kleinen Glücksimpulsen, die wir durch jede Nachricht, durch jedes neue Like oder was auch immer bekommen.

Irgendwie ist es auch nachvollziehbar, denn besonders bei kleinen Kindern ist nicht immer alles wahnsinnig spannend, was wir mit ihnen unternehmen können. Hinzu kommt der alltägliche, der berufliche und vielleicht auch der Beziehungsstress, der es einfa- cher macht, in die digitale Welt zu flüchten. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass wir dadurch in den wenigsten Fällen wirklich bei unseren Kindern sind, offen sind für die kleinen Impulse und Bedürfnisse, deren Beachtung unsere Kinder brauchen. Ähnlich wie bei einem gemeinsamen Abendessen, bei dem beide Partner die meiste Zeit an ihren Geräten hängen, gestaltet sich die Beziehung schwierig und alles andere als verbindlich, wenn unsere Hauptaufmerksamkeit, statt bei uns selbst und unseren Kindern, bei diesen Geräten ist. Wie gehen wir also damit um?

Sind wir dem ausgeliefert?

Immer wieder höre ich von Vätern, wie schwer es ihnen fällt, den Hang zu elektronischen Geräten so zu zähmen, dass sie wirklich aufmerksam bei ihren Kindern sein können. Wir wissen mitt- lerweile, dass es Hundertschaften in den Abteilungen der großen Social-Media-Konzerne gibt, die nichts anderes zum Ziel haben, als unsere Abhängigkeit und unsere Nutzung von ihren Produkten zu erhöhen. Gegen diese immer besser werdenden Algorithmen und im Hintergrund arbeitenden Supercomputer können wir mit unserer steinzeitlichen Selbstdisziplin nicht anhalten. Mir scheint, die einzige Möglichkeit, um hier freier seine Beziehungen zu gestalten, ist eine sehr klare Trennung zwischen der Zeit mit den Kindern und der Zeit mit den Geräten. Meine Tochter bat mich vor ein paar Wochen darum, einen handyfreien Tag zu machen, am liebsten wöchentlich. Das hat mir zu denken gegeben, gerade weil ich bemüht darum bin, achtsam mit meinen Kindern umzugehen und auch die kleinen Momente in ihrem Leben zu sehen und anzuerkennen.

Ständig präsent sein geht nicht, aber…

Es ist nicht so einfach mit der ungeteilten Aufmerksamkeit, war es nie und ist es wohl durch Smartphones und Social Media für viele noch weniger geworden. Auch für mich. Und trotz aller technischen Limits, dem digitalen Rückzug über den Jahreswechsel und guten neuen Ritualen ertappe ich mich dabei, doch nicht ganz bei der Sache zu sein und meine Kinder manchmal, oder manchmal auch öfter, für völlig banale Sachen hinter mein Handy zu stellen. Es gibt nun diesen telefonfreien Tag bei uns, es gibt das größere Bewusstsein dafür, dass unsere Kinder nicht mit unseren Smartphones und Tablets, Fernseher und Konsolen konkurrieren wollen und dürfen. Geben wir acht auf uns und die kleinen Dinge im Leben unserer Kinder, die letztlich realer Teil auch unseres Lebens sind!

Ein abwesender Vater ist nicht nur jemand, der selten zu Hause ist, sondern auch jemand, der, wenn er zu Hause ist, seine Kinder nur im Autopiloten wahrnimmt. Unsere Smartphones sind die perfekte Fluchtmöglichkeit, mit immer größerem Abhängigkeitspotenzial. Doch was für uns nette Ablenkung sein mag, kann für unsere Kinder der bleibende Eindruck unserer fehlenden Auf- merksamkeit sein. Bedürfnisse nach Nähe, Gesehenwerden oder die Möglichkeit, über Belastendes zu sprechen, finden so noch weniger Platz in unserem durchgetakteten Alltag.

Wir alle wollen präsent sein; wollen, dass unsere Kinder wissen, wie wichtig sie uns sind. Und dennoch: Beobachtet euch einmal im Verlauf des Tages: Wie viel »Autopilot« ist da, wie viel ab- lenkungsfreie Zeit bekommen eure Kinder, wie viele Momente wirklicher Achtsamkeit? Und wie viel Druck und Stress ist da bei uns, dass wir die digitale Zerstreuung so sehr brauchen?

Mehr dazu und wie Du die Dinge neu angehen kannst, findest Du in meinem Buch “Up to Dad” im Beltz-Verlag, wo sich auch dieser Auszug findet. Auch ein Hörbuch ist mittlerweile erschienen.

Carsten Vonnoh

Systemischer Berater für Väter und Organisationen