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Elternschaft auf Augenhöhe – so funktioniert der respektvolle Umgang zwischen Dir und Deinem Kind

Elternschaft auf Augenhöhe? Was bedeutet das? Wie funktioniert sie? Wo liegen die Schwierigkeiten? Diese und weitere Fragen beantworte ich Dir hier. 

Was ist Elternschaft auf Augenhöhe eigentlich?

„Auf Augenhöhe“ – was bedeutet das? Wortwörtlich bedeutet „auf Augenhöhe“, dass die Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen auf der gleichen Stufe passiert. In Bezug auf die Kommunikation zwischen Eltern und Ihren Kindern bedeutet „auf Augenhöhe“ also, dass Eltern Augenkontakt auf einer Stufe mit dem Kind aufnehmen.

Sie beugen sich zu ihrem Kind herunter oder erhöhen die Position des Kindes, um physisch auf einer Stufe zu sein. Die übertragene Bedeutung ist ähnlich: Es bedeutet, alle Beteiligten stehen auf einer Stufe. Die Äußerungen aller Beteiligten werden ernst genommen und wertgeschätzt. Gesprächspartner behandeln sich respektvoll. Alle Meinungen sind erst einmal gleichwertig.

Elternschaft auf Augenhöhe beschreibt zweierlei Beziehungen: die Beziehung zwischen Dir und dem anderen Elternteil und die Beziehung zwischen Dir und Deinem Kind.

Vaterschaft auf Augenhöhe zu Deinem Kind – das sind die Chancen

Elternschaft auf Augenhöhe zu Deinem Kind oder Deinen Kindern kann erst einmal wörtlich genommen werden. Wenn Du Kontakt zu Deinem Kind aufnehmen möchtest oder Dein Kind zu Dir, beugst Du Dich zu ihm oder ihr herunter oder erhöhst die Position des Kindes.

Das hat ganz praktische Vorteile:

  1. Dein Kind kann Deine Mimik besser erkennen.
  2. Dein Kind hört Dir aufmerksamer zu.
  3. Du hörst Deinem Kind aufmerksamer zu.
  4. Dein Kind fühlt sich gesehen und gehört.
  5. Dein Kind wird gesehen und gehört.
  6. Der direkte Blickkontakt zwischen Dir und Deinem Kind ist sprachfördernd.

Sprichst Du stattdessen „von oben herab“ mit Deinem Kind, kann Dein Kind deine Mimik schlechter erkennen, fühlt sich vielleicht nicht gehört oder hört durch den ungünstigen Blickkontakt nicht so gut zu. Es ist sogar möglich, dass sich Dein Kind durch Deine erhöhte Position eingeschüchtert fühlt.

Im übertragenen Sinne bedeutet „Elternschaft auf Augenhöhe“, dass das Kind in seinen Belangen und Äußerungen ernst genommen und wertgeschätzt wird. Es bedeutet, in Beziehung zu gehen, mit dem Kind und zu sehen, was ihm oder ihr gerade wichtig ist. 

Gleichzeitig bedeutet es auch, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle gegenüber dem Kind äußern zu können, authentisch zu sein, ohne zu schreien, zu schimpfen oder auf andere Weise die eigene Machtposition als Erwachsene/r auszunutzen. 

Und diese Fähigkeit erfordert Selbstreflektion und Achtsamkeit Dir selbst gegenüber. Du musst wissen, was Du fühlst, das Dein Bedürfnis ist und wie Du dieses kindgerecht und wertschätzend äußern kannst.

Wie bei der bedürfnisorientierten Erziehung, sind die Bedürfnisse der Kinder und der Eltern gleichwertig. In Konfliktsituationen wird im Idealfall ein Kompromiss gefunden, der für alle Familienmitglieder in Ordnung ist.

Bei der Elternschaft auf Augenhöhe entscheiden Eltern nicht „über den Kopf“ des Kindes hinweg, sondern finden Lösungen, die für Eltern und Kind zufriedenstellend sind – auf Augenhöhe.

Gemeinsam Eltern sein – wie ihr als Eltern auf Augenhöhe harmoniert

Aus zwei Partnern wird eine Familie – das Highlight der Beziehung? Oft belasten unterschiedliche Erziehungsansichten, Glaubenssätze, die Aufgabenverteilung, Schlafentzug und Stress die Beziehung. Dass sich Eltern mit jungen Kindern trennen ist nicht ungewöhnlich – von etwa der Hälfte der Scheidungsfälle sind minderjährige Kinder betroffen¹.

Doch unabhängig davon, ob Eltern eine Beziehung führen oder nicht: Die Elternschaft auf Augenhöhe ist für eine gelungene Erziehung der gemeinsamen Kinder wichtig. Nicht die Trennung verursacht ein Trauma bei den Kindern, sondern wie sich die Eltern nach dem Ende der Beziehung gegenüber verhalten. Können Konfliktsituationen konstruktiv gelöst werden, kommt die ganze Familie auf lange Sicht gut aus der Trennungskrise heraus.²

Bei der Elternschaft auf Augenhöhe ist eine respektvolle Kommunikation das A und O.

Immerhin geht es um eine (oder mehrere) Personen, die beiden Elternteilen das Wichtigste sind – die Kinder. Bei unterschiedlichen Ansichten ist die Gefahr groß, dass Eltern sich in ihren eigenen Gefühlen und Verletzungen verlieren und wütend, bockig oder überheblich reagieren.

Statt einer konstruktiven Kommunikation entsteht Streit. Männer ziehen sich in diesen Situationen häufiger zurück, reagieren „bockig“ und lehnen auch wohlgemeinte Impulse der Partnerin ab. Frauen werten möglicherweise die Arbeit des (Ex-)Partners ab und schränken dessen Handlungsspielraum als Vater ein. Natürlich sind auch ganz andere Reaktionen möglich.

Diese Verhaltensweisen kommen meiner Erfahrung nach ganz unbewusst und ohne böse Absichten zum Vorschein!

Sie zeigen sich aufgrund eigener Verletzungen und negativer Erfahrungen in der Vergangenheit oder auch zum Selbstschutz. Hier ist es wichtig, einen gesünderen, verständnisvolleren Umgang mit der Partnerin oder dem Partner zu finden.

Die großen Herausforderungen und Chancen bei der Elternschaft auf Augenhöhe

Wir Eltern sind Menschen mit Schwächen und Fehlern. Wir sind nicht perfekt, sind mal überarbeitet, unzufrieden, gestresst, genervt, traurig, wütend, verletzt. Die große Herausforderung – und Chance – ist es, diese Gefühle und die Bedürfnisse dahinter anzuerkennen, zu reflektieren und konstruktiv zu kommunizieren.

Als Vätercoach berate ich Väter, die mit diesen oder ähnlichen Herausforderungen zu mir kommen:

  1. Die Verbindung zu den eigenen Gefühlen wird vielen Jungs als „unmännlich“ schon im Kleinkindalter abtrainiert. Sich in Bezug auf die eigenen Gefühle zu reflektieren, zu spüren „Was brauche ich gerade?“ fällt den meisten Vätern, die zu mir kommen schwer. 
  2. Väter vernetzen sich seltener als Mütter. Sie tauschen sich kaum untereinander aus. Sie ziehen sich in Konfliktsituationen eher zurück. Sie suchen seltener nach Hilfe. Können Sie selbst keine Lösung finden, fühlen Sie sich hilflos und überfordert. Das kann sich in starken Gefühlsausbrüchen äußern. Väter, die zu mir finden, befinden sich meist in Extremsituationen und wissen nicht, wie sie die Beziehung zu den Kindern und der Mutter der Kinder verbessern können. Hilfe von außen zu suchen und anzunehmen ist der erste und wichtigste Schritt!
  3. Die Vaterrolle hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Viele Väter wünschen sich, präsent zu sein, viel Zeit mit der Familie zu verbringen und die Erziehung der Kinder mitzugestalten. Sie möchten aktive Rollen vor und während der Geburt übernehmen und sich als gleichwertiger Elternteil um die Kinder kümmern. Die Gesellschaft und manchmal die eigene (Ex-)Partnerin werten die Vaterrolle jedoch (unbewusst!) ab. Das zeigt sich durch die Einmischung der Familie, Passanten oder der Mutter der Kinder, die dem Vater zeigen wollen „wie es richtig geht“. Es ist auch möglich, dass eigene Unsicherheiten ein Hindernis sind, das eigene Potential als Vater voll auszuschöpfen. Genau wie Mütter müssen Väter genügend Freiraum bekommen und dazu bereit sein, sich in ihre Vaterrolle einzufinden, „Fehler“ zu machen und zu lernen.
  4. Gleichzeitig fehlen jungen Vätern die Vorbilder. Väter der vorangegangenen Generationen starben im Krieg oder waren traumatisiert und emotional abwesend. Die Rolle des Vaters konzentrierte sich in der Vergangenheit überwiegend auf die finanzielle Ernährung der Familie. Das erschwert Vätern, sich in eine Vaterrolle einzufinden, mit der sie sich wirklich wohlfühlen.

Elternschaft auf Augenhöhe beginnt bei Dir selbst

„Bewusst Vater zu sein heißt, auch immer, sich zu befreien: von fremden Erwartungen, von den Beschränkungen Deiner Kindheit, von hinderlichen Glaubenssätzen, Abhängigkeiten und schädlichen Mustern.“

Zitat aus meinem Buch „Up to Dad: Kinder entspannt begleiten und den eigenen Weg gehen“

Der Weg zu einer harmonischen Elternschaft auf Augenhöhe – sowohl mit der der Mutter Deiner Kinder als auch zu Deinem Kind – beginnt bei Dir. Es geht nicht nur darum die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche auf Augenhöhe kommunizieren können und von anderen annehmen zu können – es geht im ersten Schritt vor allem darum, innezuhalten und sich selbst zu spüren.

Fühlst Du Dich gerade sehr unzufrieden, atme einige Male tief durch und versuche folgende Fragen zu beantworten:

  • Was fühle ich gerade?
  • Was brauche ich?
  • Wie gestresst bin ich?
  • Warum reagiere ich genervt, wütend oder traurig?
  • Was kann ich in diesem Moment für mich tun, um zufriedener zu sein?

Wenn Du mit Dir im Reinen bist, Deine eigene Verletzlichkeit nicht hinter einer starken Fassade verbirgst, dann kannst Du emotionale Nähe zulassen, Dich echt zeigen und Deinen Kindern (und der Mutter Deiner Kinder) Raum bieten, es Dir gleich zu tun. Das erfordert nicht nur Arbeit an Dir selbst, sondern auch Mut. Doch dieser Weg lohnt sich.

In meinen Seminaren und persönlichen Coachings unterstütze ich Dich gerne auf Deinem Weg zu einer harmonischen Elternschaft auf Augenhöhe. In meinem Buch „Up to Dad: Kinder entspannt begleiten und den eigenen Weg gehen“ ließt Du viele praktische Impulse, die Dir bei der Findung Deines persönlichen Weges als Vater helfen können. 

Quellen:

¹Ehescheidungen mit und ohne minderjährige Kinder in Deutschland bis 2020

² vgl. Interview mit Familiencoach Monika Czernin

Carsten Vonnoh

Systemischer Berater für Väter und Organisationen