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10 Impulse für Väter nach Trennung oder Scheidung mit Kindern

Gastartikel von Marianne Nolde, Familiengutachterin & Autorin des Buches: Eltern bleiben nach der Trennung*

Als Carsten mich fragte, ob ich einen Gastartikel zu diesem Thema schreiben möchte, habe ich überlegt: Welche Impulse würde ich gerade Vätern geben können, die für Mütter nicht ebenso zutreffen? Und ich stellte fest, im Grunde gilt alles, was ich dazu weiß und vertrete, für Männer wie Frauen, aber vielleicht sind einzelne Themen für Männer mehr im Fokus, etwa das Wechselmodell.

Wie immer bei meinen Texten gilt: Ich kann nicht wissen, was genau auf dich und deine Familie zutrifft. Du wählst aus, welche Impulse passend sind. Da ich dich als Vater anspreche, schreibe ich von deiner Ex-Partnerin – falls es bei dir ein Ex-Partner ist, ist der natürlich mit gemeint.

1. Versorge deine Wunden.

Trennung tut weh, Trennung mit Kindern tut noch mehr weh. Selbst wenn du die Trennung gewollt hast, hast du dir sicher nicht gewünscht, dass deine Kinder diese Situation mit ausbaden müssen. Während der verlassene Elternteil oft mit seinem Selbstwert hadert, plagen den anderen Schuldgefühle, und meistens trauern beide auf die eine oder andere Art. In dieser Umbruchsituation ist es wichtig, dass du dich um dich selbst kümmerst und einen Weg findest, wie du heilen kannst. Suche dir passende Beratung, vernetze dich mit anderen Vätern, finde heraus, was dir Kraft gibt. Dafür Zeit und Energie aufzuwenden, nimmt deinen Kindern nichts von den gerade geringen Ressourcen weg. Denn es ist die Voraussetzung dafür, dass sie dich so bald wie möglich wieder als verlässlichen Vater erleben, der ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt, das in der Trennungssituation erstmal bröckelt. Mach es so, wie der Umgang mit Gefahrensituationen im Flugzeug vor dem Start erklärt wird: erst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen und dann den Kindern, weil man ihnen nur helfen kann, wenn man nicht ohnmächtig wird.

2. Geh behutsam mit der Verletzung deiner Ex-Partnerin um.

Geh davon aus, dass auch deine Ex-Partnerin mit ihren Wunden beschäftigt ist – selbst wenn sie es war, die die Trennung herbeigeführt und sich sogar schon anderweitig verliebt hat. Vor allem in der ersten Zeit nach der Trennung ist die Gefahr groß, dass man sich bei Begegnungen ständig gegenseitig triggert, und das stört die Fähigkeit zur Kooperation, die den Kindern guttun würde. Sei gnädig mit dir und auch mit ihr. Komm nicht mit deiner neuen Partnerin, um die Kinder abzuholen, wenn du weißt, dass deine Ex-Partnerin dich noch sehr vermisst, und vermeide möglichst, ihr Schuldgefühle zu machen durch Vorwürfe oder leidenden Tonfall, wenn sie den Anstoß zur Trennung gegeben hat.

Respekt und Empathie in dieser Lage erfordern Selbstüberwindung, aber auch Mini-Schritte dahin lohnen sich. Gleichzeitig gibst du damit deinem Kind ein großartiges Vorbild, wie man Konflikte lösen kann, ohne dass dabei einer verlieren muss. Kinder machen einem alles nach. Auch deinen Umgang mit ihrer Mutter.

3. Sich als Eltern ergänzen statt zu wetteifern.

Als Gutachterin habe ich immer wieder erlebt, wie Eltern nach der Trennung schon fast verzweifelt um die Liebe ihrer Kinder wetteiferten. So als ob Kinder nur eine gewisse Menge an Liebe zur Verfügung hätten, und je mehr davon der andere bekommt, umso weniger bleibt für einen selbst übrig. Dabei glaube ich persönlich, dass Liebe ein nachwachsender Rohstoff ist. Je mehr Liebe fließen darf, in alle Richtungen, auch zu Großeltern, Freunden, ja sogar zu neuen Partnern, umso mehr fließt nach. Also keine Sorge, dass du ins Hintertreffen gerätst. Du musst nicht der bessere Elternteil sein, damit es deinem Kind gut geht. Du bringst einfach das ein, was du besonders gut geben kannst, und vielleicht verständigt ihr euch darauf, wer für bestimmte Gebiete vorrangig zuständig ist, die ihm liegen, vielleicht der Sport oder das Musische. Es gibt doch den Spruch, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen. Erlaub deinem Kind so ein Dorf. Du musst nicht alles allein können.

Sich unter Vätern auszutauschen, ist so eine “dörfliche Unterstützung” – Carstens Seminare können dafür ein Anfang sein.

4. Das Machbare tun, sich nicht überfordern.

Neulich las ich von einer Mutter im Wechselmodell, die stolz darauf war, dass sie schon frühzeitig regelmäßig ein gemeinsames Abendessen als Familie eingeführt hatten. Bis sie später von ihren Kindern erfuhren: Sie hatten dieses gemeinsame Abendessen als anstrengende und krampfige Veranstaltung empfunden. Da vermute ich, die Eltern hatten sich schlicht überfordert, und Kinder sind nun mal besonders sensibel für Atmosphärisches.

Ich kann mich gut an diese etwas verkrampfte Atmosphäre mit dem Ex-Mann erinnern in der ersten Zeit nach der Trennung, da hätten wir den Kindern auch keine Freude mit regelmäßigen gemeinsamen Treffen machen können. Erst nach einer Zeit der Heilung auf beiden Seiten wurde es immer einfacher, und irgendwann – einige Jahre später – freute ich mich sogar, ihn mal wiederzusehen. Hab einfach Geduld mit dir, steh dazu, was psychisch noch zu schwerfällt, und arbeite gleichzeitig daran, dass es leichter werden kann (siehe Impuls eins).

Mariannes sehr empfehlenswertes Buch*

5. Wertschätzung für deine Ex-Partnerin ist auch Wertschätzung für dein Kind.

Dein Kind hat Gene von dir und von seiner Mutter und ist von euch beiden geprägt. Wenn du seine Mutter ablehnst, lehnst du in gewisser Weise auch all das ab, was dein Kind von ihr hat. Und wenn du ihre Mutter noch irgendwie wertschätzen kannst, wertschätzt du damit gleichzeitig diese Anteile in deinem Kind. Wenn es dir schwerfällt, hilft vielleicht diese Vorstellung: Ohne deine Ex-Partnerin würde es dieses Kind überhaupt nicht geben. Vielleicht hättest du andere Kinder mit einer anderen Frau. Aber dieses Kind, das du liebst, das gäbe es in deinem Leben nicht. Zumindest in dem Zusammenhang ist es mir immer leichtgefallen, dem Vater meiner Kinder dankbar zu sein. Und dass ich meine Dankbarkeit ihm gegenüber auch hin und wieder vor unseren Söhnen erwähnt habe, hat ihnen so gutgetan.

6. Dein Kind kann sich nur wünschen, was ihr ihm erlaubt – Kinder kooperieren.

Als Gutachterin habe ich viele Streitigkeiten zwischen Eltern erlebt, die sich aus Missverständnissen heraus entwickelt hatten. Oft waren beide überzeugt, das Gerichtsverfahren im Sinne ihres Kindes zu führen und sich für seine Wünsche einzusetzen. Manchmal hatte das Kind aber jedem von ihnen etwas anderes gesagt oder durch sein Verhalten signalisiert. Woran liegt das? Kinder bemühen sich darum, dass es ihren Eltern gut geht. Sie sind auf sie angewiesen; es ist auch ein Überlebensinstinkt, der sie dazu bringt, ihre Eltern in Zeiten von Schwäche oder Belastung zu unterstützen. Wenn sie sehen, dass die beiden wütend aufeinander sind oder traurig, dann wagen sie es nicht, dem einen zu zeigen, wie sehr sie den anderen noch lieben, oder Wünsche nach mehr Kontakt zu äußern, denn sie ahnen, dass sie damit ihre Eltern verletzen würden. Dadurch erhält jeder Elternteil dann aber einen falschen oder unvollständigen Eindruck von den Bindungen und Bedürfnissen des gemeinsamen Kindes.

Wenn ihr eurem Kind im Trennungsgespräch oder danach klarmacht, dass es selbstverständlich beide Eltern als Bindungspersonen weiter behalten soll, wird es sich freier fühlen, seine Gefühle euch beiden gegenüber auszuleben. Wenn es dir dann noch Schönes über die Zeit bei Mama erzählt oder dir anvertraut, dass es Mama gerade vermisst, ist das sozusagen ein Beweis für eure gelungene Bindung und Grund zur Freude. Dein Kind vertraut dir. Es muss diesen Teil nicht ausklammern, wenn es bei dir ist.

7. Trau dich, Konflikte mit deinem Kind konstruktiv auszutragen.

Gerade wenn du ein Vater bist, der jetzt weniger Zeit mit seinem Kind verbringt als die Mutter, ist die Versuchung groß, diese Zeit so schön wie möglich zu gestalten und Konflikten keinen Raum zu geben. Dabei kann leider herauskommen, dass eure Beziehung sich „ausdünnt“, indem immer mehr ausgeklammert wird, und außerdem neigen unausgetragene Konflikte auf Dauer dazu, sich zu verfestigen. Finde heraus – und lass dir dabei gern helfen – wie du Konflikte konstruktiv austragen kannst. Jede gelungene Konfliktlösung stärkt eure Beziehung. Respektvolle Auseinandersetzung bedeutet für mich auch: Du bist mir wichtig. Ich lass das nicht einfach alles so laufen, weil es mir egal ist. Du bist mir nämlich nicht egal. Ich setze mich dafür ein, dass wir uns besser verstehen und uns dabei näherkommen.

Mehr zu einer gelingenden Vater-Kind-Beziehung findet ihr hier.

8. Deine Familie ist einzigartig.

Ich halte nichts von Patentlösungen für alle. Dazu sind Menschen zu unterschiedlich. In 36 Jahren als Gutachterin habe ich nicht zwei genau gleiche Menschen und nicht zwei genau gleiche Familiensysteme erlebt. Es gibt zwar Gemeinsamkeiten, aber immer auch Unterschiede. Ich las neulich folgenden Spruch: Jeder Mensch ist wie alle anderen, jeder Mensch ist wie einige andere, und jeder Mensch ist wie kein anderer. Genauso ist das. Selbst Untergruppen wie „Hochsensible“ oder „Extrovertierte“ unterscheiden sich wieder im Einzelfall. Wie soll es da die eine optimale Lösung für alle geben?

Was ich stattdessen zu suchen empfehle: eine Lösung, die zu allen Beteiligten des eigenen Familiensystems passt. Selbst wenn statistisch erwiesen sein sollte, dass die Mehrzahl der Kinder in Betreuungsmodell X am besten gedeiht, heißt das gleichzeitig, dass für eine gewisse Anzahl Kinder dieses Betreuungsmodell nicht besser oder sogar schädlich ist. Es kommt auf das an, was euer Kind braucht und was ihr als Eltern einbringen und schaffen könnt.

9. Nicht welches Betreuungsmodell ihr lebt, sondern WIE ihr es lebt, macht den Unterschied.

Ob Residenzmodell, Wechselmodell oder Nestmodell – wie gut es eurem Kind mit dem Betreuungsmodell gehen wird, hängt nach meiner Einschätzung weniger mit dem Modell an sich zusammen, sondern mehr mit der Haltung, die ihr als Eltern einnehmt. Wenn ihr euch wechselseitig respektiert, dem Kind die Bindung an beide gönnt, wenn ihr kooperiert und euch über wichtige Dinge austauschen könnt, dann ist die Belastung eurer Kinder durch die Trennung gering, und dann habt ihr womöglich „glückliche Scheidungskinder“, wie Remo Largo das so provokativ als Buchtitel gewählt hat. Ich würde sagen, wir hatten glückliche Scheidungskinder, unsere sind jetzt in den Dreißigern, und wir lebten einvernehmlich ein Residenzmodell. Auch da geht Augenhöhe. Als ich die erwachsenen Kinder gefragt habe, ob sie ihren Vater, den sie an Wochenenden und in Ferien besuchten, als „vollwertigen“ Elternteil erlebt hätten, hatten sie Mühe, diese Frage überhaupt zu verstehen, so selbstverständlich war das für sie. Es konnte immer über ihn gesprochen oder telefoniert werden, er war insofern präsent, und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, wichtige Entscheidungen nicht mit ihm abzusprechen.

10. Auch das Wechselmodell bietet Spielraum.

Als ich das erste Mal einen Vortrag von Frau Prof. Sünderhauf hörte, die damals das dicke Standardwerk zum Wechselmodell geschrieben hat, merkte ich auf, als sie erklärte, dass manche Studien schon eine Aufteilung ab mindestens 30:70 als Wechselmodell erfassen, wenn das Kind mit beiden Eltern auch Alltag lebt und bei beiden ein gefühltes Zuhause hat. Das unterscheidet sich zeitlich nicht mehr von den immer üblicheren erweiterten „Umgangszeiten“.

Ich fand sofort viel schöner, das als Doppelresidenz oder Wechselmodell zu werten und das Wort Umgang, das irgendwie nach einem Onkel- oder Tantenverhältnis klingt, dafür aufzugeben. Beide Eltern werden als weiterhin vollwertige Eltern definiert, und ich stelle mir vor, das macht auch etwas mit dem eigenen Selbstbild und dem, was auf die Kinder ausstrahlt. Dazu ist keine exakte 50:50-Aufteilung erforderlich, die ja in den allerwenigsten zusammenlebenden Familien so akribisch eingehalten wird. Da schauen beide Eltern, wie sie Beruf und Kinderbetreuung miteinander vereinbart bekommen. Das ist doch eine gute Basis auch für Vereinbarungen nach der Trennungszeit. Jeder tut, was er kann, man spricht das miteinander ab und entwickelt ein maßgeschneidertes Betreuungsmodell für die Familie, das auch eine faire und für beide praktikable Verteilung der finanziellen Verantwortlichkeiten umfasst. Klingt zu schön um wahr zu sein? Manchmal kann Mediation/Beratung dabei helfen, dass es doch noch wahr wird.

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P.S. WENN ihr in diesem Prozess glaubt, mit Unterstützung von mir, kann eure Trennungssituation besser gestaltet werden, meldet euch bei mir für ein Erstgespräch zur Unterstützung oder schaut euch meine Seminare an. Bei Interesse schreibt mir gern auch eine Mail.

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Carsten Vonnoh

Systemischer Berater für Väter und Organisationen