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Wutausbrüche bei Kindern und unsere eigene Wut: Ein neuer Blick auf ein uraltes Gefühl

Es passiert plötzlich, oft ohne Vorwarnung. Dein Kind wirft sich schreiend auf den Boden, die Fäuste geballt, Tränen strömen. In diesen Momenten ist es, als wäre die Welt aus den Fugen geraten. Du versuchst zu beruhigen, doch es scheint, als würde nichts helfen. Und dann passiert es – du spürst deine eigene Wut aufsteigen. Warum nur? Warum kann es nicht einfach aufhören?

Diese Momente sind herausfordernd, aber sie bergen auch eine Chance. Wut ist nicht unser Feind. Sie ist eine Botschafterin, eine Energie, die uns auf etwas aufmerksam macht: Die Beschützerin unserer Grenzen. Unsere Aufgabe ist es, ihr zuzuhören – sowohl der Wut unserer Kinder als auch unserer eigenen.

Was steckt hinter der Wut?

Wut ist nie grundlos. Sie entsteht, wenn ein wichtiges Bedürfnis unerfüllt bleibt oder eine Grenze verletzt wird. Bei Kindern zeigt sich das oft laut, intensiv, roh. Erwachsene hingegen haben gelernt, ihre Wut zu unterdrücken, sie hinter Ironie, Sarkasmus oder passiver Aggression zu verstecken. Doch unterdrückte Wut verschwindet nicht, sie ist oft durch unsere Kinder spürbar bevor wir sie wahrnehmen. Sie zeigt sich später – in Form von Ungeduld, Erschöpfung oder dem plötzlichen Ausbruch bei der kleinsten Kleinigkeit.

Studien zur Emotionsregulation zeigen, dass Kinder Wut nicht aus einer Laune heraus zeigen, sondern weil ihr Gehirn noch nicht ausgereift genug ist, um Emotionen zu regulieren. Der präfrontale Kortex, also der Teil des Gehirns, der Impulse kontrolliert, entwickelt sich erst bis ins junge Erwachsenenalter. Ein Wutanfall ist daher kein bewusster Akt der Manipulation, sondern eine biologische Reaktion auf Stress oder Frustration.

Warum triggert uns die Wut unserer Kinder so stark?

Unsere eigene Kindheit spielt eine entscheidende Rolle. Wenn wir gelernt haben, dass Wut etwas ist, das sofort unterdrückt werden muss, dann wird uns der Wutanfall unseres Kindes in Alarmbereitschaft versetzen. Vielleicht wurden wir selbst für unsere Wut bestraft oder ignoriert. Vielleicht mussten wir schnell lernen, unsere Gefühle zu kontrollieren, um akzeptiert zu werden. Wenn wir es nicht gewohnt sind, Wut als legitimes Gefühl zu sehen, dann werden wir auf die Wut unseres Kindes mit Stress oder Angst reagieren.

Doch Wut ist nichts Schlechtes. Sie zeigt uns, dass etwas nicht stimmt, dass ein Bedürfnis unerfüllt bleibt. Sie ist eine Aufforderung, hinzusehen. Wenn wir in der Lage sind, Wut nicht als Feind, sondern als Botschafterin zu betrachten, dann können wir unsere Reaktionen bewusst verändern.

Wie können wir in diesen Momenten reagieren?

Es beginnt mit einem tiefen Atemzug. Mit dem Bewusstsein, dass die Wut unseres Kindes nicht gegen uns gerichtet ist. Dass es kein Zeichen von Versagen ist, sondern ein Zeichen von Wachstum. Wir können den Wutanfall nicht immer verhindern, aber wir können ihn begleiten.

Ein Kind, das schreit, ist nicht böswillig oder manipulativ. Es hat gerade ein emotionales Gewitter. Es macht das nicht gegen uns, sondern für sich. Unser Job ist es, sicherer Halt zu sein. Nicht um es abzulenken oder darüber hinwegzugehen, sondern um zu signalisieren: “Ich sehe dich. Ich halte das mit dir aus.” Das bedeutet nicht, dass wir jedes Verhalten tolerieren müssen. Aber es bedeutet, dass wir uns bewusst entscheiden können, ob wir eskalieren oder deeskalieren.

Ein wertvoller Ansatz ist das Co-Regulieren. Kleine Kinder können ihre Emotionen nicht allein beruhigen. Sie brauchen unser Nervensystem als Anker. Wenn wir ruhig bleiben, wenn wir ihre Emotionen spiegeln und akzeptieren, dann lernt ihr Gehirn, sich selbst zu regulieren. Und genau hier liegt die Herausforderung: Denn um diese Ruhe zu bewahren, müssen wir uns selbst regulieren können.

Unsere eigene Wut verstehen

Elternsein bedeutet nicht, immer gelassen zu bleiben. Wut wird kommen. Sie ist ein Teil von uns. Der Unterschied liegt darin, ob wir sie bewusst wahrnehmen oder ob sie uns steuert. Wenn wir unsere eigene Wut reflektieren, dann erkennen wir oft, dass sie weniger mit unserem Kind zu tun hat als mit unserer eigenen Geschichte.

Vielleicht fühlt es sich so an, als würden wir die Kontrolle verlieren. Vielleicht triggert es alte Gefühle der Ohnmacht. Vielleicht fühlt sich die Wut unseres Kindes für uns wie ein Angriff an. Doch wenn wir beginnen, unserer eigenen Wut mit Neugier statt mit Scham zu begegnen, dann kann sie sich verändern. Dann wird sie nicht mehr unser Feind, sondern eine Kraft, die uns zeigt, was wir wirklich brauchen.

Wut als Chance

Wut ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein kraftvolles Gefühl, das uns zeigt, was uns wichtig ist. Wenn wir lernen, mit ihr umzugehen, anstatt sie zu unterdrücken oder zu fürchten, dann können wir unseren Kindern genau das vorleben.

Ein Kind, das lernt, dass seine Wut sein darf, wird später fähig sein, Konflikte zu lösen, Grenzen zu setzen und für sich einzustehen. Und ein Elternteil, das lernt, seine eigene Wut anzunehmen, wird fähig sein, sein Kind durch diese Gefühle zu begleiten, ohne selbst darin unterzugehen.

Fazit: Wut will gefühlt werden

Wut gehört zum Leben. Sie ist ein Teil von uns. Und sie ist ein Teil unserer Kinder. Sie zu verstehen, ihr Raum zu geben und sie bewusst zu begleiten, ist eine der wertvollsten Aufgaben, die wir als Eltern haben. Es bedeutet nicht, Chaos zuzulassen, sondern echte Verbindung zu schaffen.

Die Herausforderung liegt nicht darin, Wut zu vermeiden. Die Herausforderung liegt darin, ihr mit Klarheit und Mitgefühl zu begegnen. Für unsere Kinder. Und für uns selbst.

Carsten Vonnoh begleitet Eltern dabei, ihre eigene Wut und die ihrer Kinder neu zu verstehen. In der Vaterherz® Academy findest du Impulse und Austausch, um diese herausfordernden Momente mit mehr Gelassenheit und Bewusstsein zu gestalten.

Carsten Vonnoh
Systemischer Berater für Väter und Organisationen
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